Das ist kein portugiesisches Sprichwort, aber es könnte eins sein. Ich habe den Spruch von einer deutschen Freundin, die damals in Lissabon an der Deutschen Schule Lehrerin war. Und ich habe ihn mittlerweile schon oft weitergegeben. Nicht, dass der Spruch eine Hilfe wäre, aber er vermittelt doch einen gewissen Trost: Du bist nicht alleine in deinem Leid, das geht hier allen so. Das gehört zum Leben hier dazu.
Mein erster Winter in Portugal war übrigens besonders kalt. Und zwar nicht nur für mich, sondern allgemein in Portugal. Einfach vom Wetter her. Es war der Winter 1982/83. Ich hatte noch kein richtiges Zuhause, sondern verbrachte den Winter in einem kleinen Haus im Alentejo, das ich für 3.000 Escudos im Monat gemietet hatte. Das wären heute 15 Euro. Das war selbst für damalige Verhältnisse billig. Das Häuschen hatte dementsprechend wenig Komfort, na gut, überhaupt keinen, nicht mal Glasscheiben in der kleinen Fensteröffnung. Strom natürlich sowieso nicht.
Durch den Abzug über der Feuerstelle fegte der eisige Wind von draußen in das Haus. Bei Vollmond warf der Mondschein kleine Lichtflecken durch die lose gelegten Dachziegel und bei Regen schlief ich mit aufgespanntem Regenschirm. Wasser holte ich an der Quelle und meine Wäsche wusch ich im Fluss im Tal. Und der erste portugiesische Satz, den ich einigermaßen akzentfrei sprechen konnte, war: aí, que frio – was für eine Kälte. Der kam nämlich in jedem Gespräch mindestens dreimal vor.
Ist es nur meine Erinnerung, die mir diesen Winter so kalt erscheinen lässt?
Ein kurzer Blick ins Internet und ich finde einen Eintrag: O grande gelo 1982/83. Grande bedeutet groß, gelo bedeutet Eis, oder in diesem Fall Eiseskälte. Es ist also nicht nur meine Erinnerung!
Die einzige Möglichkeit mich aufzuwärmen war, bei einem Bekannten im Auto mitzufahren. Er war Geschäftsmann, ein Tausendsassa, von dem niemand genau wusste, was er eigentlich machte. Ich auch nicht. Aber er war nett, er war viel unterwegs, er sprach mit mir geduldig portugiesisch, das war gut für meine Sprachkenntnisse. Und er hatte ein geheiztes Auto. Später erfuhr ich, dass das ganze Dorf dachte, ich hätte mit Fernando ein Verhältnis. Gut, dass ich das erst nach vielen Jahren erfahren habe. Hätte ich es damals gewusst, wäre ich womöglich nicht mehr mitgefahren. Und hätte stattdessen tapfer weiter gefroren.
Es ist übrigens nicht nur die Temperatur, die uns frieren lässt. Es ist auch die Feuchtigkeit. Ein Musiklehrer der Deutschen Schule kam eines Morgens in sein Wohnzimmer, und seine Geige lag wie immer auf dem Klavier, allerdings in Einzelteilen. Auseinandergefallen durch die Lissabonner Feuchtigkeit. Der Anblick eine Art musikalisches Stillleben, er erzählte mir davon geschockt und fasziniert zugleich.
Aber wenn der erste Winter der kälteste ist, wie ist dann der zweite? Ein Teil der Zugezogenen tut sich keinen zweiten an. Aber die Taffen, die durchhalten und hier bleiben, die lernen damit umzugehen. Also kaufte ich mir bei meinem ersten Deutschlandbesuch in der Apotheke Angora-Unterwäsche. Die Verkäuferin packte die dicken Wollteile in eine Plastiktüte (es waren die 80er, da machte man das noch so) und sagte: „Na, wo soll´s denn hingehen, nach Alaska?“ Und ich antwortete: „Nein, nach Portugal!“
Und heute? Zieht es noch immer viele Neue nach Portugal. Sogar zunehmend mehr. Und besonders Lissabon wirbt bei digitalen Nomaden mit milden Wintern, aber auf einer Internetseite steht immerhin: „In Lissabon ist es im Winter warm. Draußen jedenfalls, drinnen kann es kalt werden“. Wie wahr!
Und damit haben wir auch die Lösung: Raus bei Sonne! Allerdings: Als Stubenhockerin habe ich echt lange gebraucht, um das zu entdecken…